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Antrag / Anfrage / Rede

Haushaltsrede 2021

Haushaltsrede des ÖDP Stadtrates Raimund Köstler am 14. Dezember 2021

Sehr geehrte Ingolstädter Bürgerinnen und Bürger,

ich begrüße Sie sowohl hier im Festsaal als auch zu Hause am Livestream. Corona hat uns gezeigt, dass die Wiedereinführung des Livestreams keine Sekunde zu früh gekommen ist.

2021 war das Jahr der Landesgartenschau. Als Ideengeber freuen wir uns sehr über deren großen Erfolg, trotz Corona. Damit ist im Nordwesten endlich die Flächenversiegelung durch das GVZ gebremst und der 2. Grünring wenigstens an dieser Stelle dauerhaft geschützt. 

Letzte Woche ging ein Zeitungsartikel mit den Worten los „man hätte im Sommer reagieren müssen“. Es ging natürlich um Corona. Corona hat uns einen traurigen Jahresbeginn beschert - ich denke da an die Sterbefälle im Heilig-Geist-Spital - und auch das Ende des Jahres läuft nicht so, wie wir uns das im Sommer erhofft hatten. 

Das soll aber kein Vorwurf sein – auch ich bin im Nachhinein immer schlauer – wir können aber daraus lernen, dass wir weiter, viel weiter in die Zukunft schauen und planen müssen. 

Entsprechend haben wir als einzige Partei im Finanzausschuss dem Investitionsplan nicht zugestimmt. Nicht weil wir keine Schulen brauchen, sondern weil einige Punkte nicht zu unserer Haushaltslage passen und schon gar nicht dem Umwelt- und Klimaschutz dienen. 

Das liegt nicht an Herrn Fleckinger und seinem Team, die großartige Arbeit bei der Erstellung des Haushalts- mit Investitionsplans geleistet haben. Die Pläne sind verständlich und auch dieses Jahr sehr solide aufgestellt. Wie immer sind alle Posten enthalten, die wir jetzt schon kennen. An der Spitze die ganzen Schulen, die neu gebaut oder saniert werden müssen und unsere Straßen, die wie immer erneuert und erweitert sein wollen. 

Kurz zu den Themen, die nicht zum Investitionsplan gehören, aber genauso wichtig sind:

Der neue Landschaftsplan und der neue Flächennutzungsplan, zu denen auch eine strategische Stadtplanung gehört und unsere Compliance Richtlinie. 

Äußerst wichtige Themen, die wir schon in der letzten Legislaturperiode, d.h. vor über zwei Jahren angefangen haben und die immer noch nicht fertig sind.

Dagegen wurde unser Wunsch nach einem runden Tisch für Mobilfunk sehr schnell umgesetzt. Die Freude war nur kurz, denn anstatt den Ausbau des Mobilfunks kritisch zu hinterfragen, wie wir es wollten, hat man den Tisch so schnell geschaffen um den Ausbau zu beschleunigen. 

Zurück zu den Zahlen. Diese zeigen auch unsere Problemfelder. 

Eine Aufstellung der Haushaltsposten für 2022 dreht sich um die Themen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Mobilität. Hier erkennt man schnell, dass wir 2022 circa 2 Millionen € für nachhaltige Themen ausgeben werden. Im Vergleich dazu geben wir in den Jahren 2021 bis 2025 224 Millionen € für unsere Schulen aus. 

Es geht nicht darum, Investitionen in Schulen und Nachhaltigkeit gegeneinander auszuspielen. Es geht darum, für die nachfolgende Generation das Bestmögliche erreicht zu haben, allem voran durch Bildung und eine nachhaltige, lebenswerte Umwelt.

Damit komme ich zum Kern unseres Problems. Wir haben laut unserer Planung einen Investitionsbedarf, den unsere Einnahmen nicht befriedigen können. Und dabei haben wir noch keine wesentlichen Investitionen in den Umwelt- und Klimaschutz geplant.

Wir benötigen daher eine grundsätzliche Umstellung unseres Haushaltes. Wir müssen Umwelt- und Klimaschutz, Bildung und Kultur ganz nach oben in unserer Prioritätenliste setzen. 

Mit dem Politikwechsel, hier lokal vor eineinhalb Jahren, und bundespolitisch nun seit einer Woche, erhofften und erhoffen wir uns eine ökologischere Politik. Allerdings lässt uns der Koalitionsvertrag und auch das langsame Voranschreiten hier in Ingolstadt wenig Hoffnung auf einen echten Wechsel.

Es gibt keinen Grund weiterhin geduldig zu sein. Es wird zwar ständig versprochen, das etwas passiert. Aber erst muss immer alles ganz genau geplant werden. Mit jedem Tag, an dem wir planen, geht uns ein Tag zum Handeln verloren. Klar, große Maßnahmen müssen ordentlich geplant werden. Aber was hindert uns daran,einfache, kleine Aktivitäten sofort durchzuführen?

Greta Thunberg würde das Ganze mit “no more blah blah blah” zusammenfassen.  

Wir brauchen ein maßgebliches Budget für Umwelt- und Klimaschutz.

Die EU plant mit Blick auf die nötige Klima-Transformation Investitionen über eine Billion Euro bis 2030. Daher könnten wir wenigstens mal mit 5 Millionen Euro pro Jahr für diese Aktivitäten in unserem Haushalt anfangen.

Klar, der 1. Januar 2030 bedeutet nicht gleich Klimawandel. Aber der aktuelle Weltklimabericht lässt erwarten, dass wir 2030 und damit zehn Jahre früher als bisher erwartet eine Erderwärmung von 1,5 Grad erreichen. Das Ergebnis wird sein, dass die Anzahl und Schwere der Ereignisse, bei denen irgendwo in Deutschland gefühlt gerade die Welt untergeht, deutlich zunimmt.  

Wir müssen jetzt handeln, damit wir nach 2030 nicht unser gesamtes Budget für Klimaanpassungsmaßnahmen benötigen.

Was sind nun also konkrete Maßnahmen, die wir ergreifen müssen?

  • Als erstes, dass wir als Stadtverwaltung ab jetzt nur noch klimaneutral handeln.

  • Zweitens müssen wir fossile Brennstoffe in Bebauungsplänen ausschließen.

  • Drittens, den Straßenneubau zu stoppen. 
    Wie wäre es stattdessen endlich damit, die Idee einer Stadtbahn zu verfolgen?
    Wir brauchen keinen Ausbau der B 16 zu einer Donautalautobahn. Wir brauchen einen Ausbau der Gleisinfrastruktur und z.B. einen zusätzlichen Bahnhalt Weiherfeld.

  • Viertens, ein Ausbau des Vorrangroutennetzes für den Radverkehr.
    Haben wir zwar schon beschlossen, nur umsetzen wollen wir es nicht. Hier sind leider auch keine erwähnenswerten Haushaltsmittel für die nächsten Jahre vorgesehen.

Und ganz wichtig: wir müssen unsere grundlegende Einstellung ändern. 

Wir müssen überlegen, wie wir mit unserem Wachstum umgehen wollen. Unsere größte Herausforderung zur Erreichung der Klimaneutralität ist das Wirtschaftswachstum.

Wachstum darf nicht grundsätzlich positiv bewertet werden. Die meisten Geschwüre, die wachsen, sind nicht harmlos.

Es gibt wichtigere Ziele, die wir als Stadt verfolgen sollten. Dazu gehört das Gemeinwohl und das Buzzword Nachhaltigkeit.

Stuttgart hat übrigens den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2022 gewonnen und als erste deutsche Kommune vier städtische Betriebe nach Kriterien der Gemeinwohl-Ökonomie zertifiziert. In diese Richtung zielte auch ein ÖDP-Antrag aus 2018, der halt keine Lobby im Stadtrat fand und daher scheinbar nie in Erfüllung gehen soll.

Der Kampf um Arbeitsplätze muss ein Kampf um die richtigen Arbeitsplätze werden, die auch krisensicher sind. 

Mainz hat hier mit BioNTech einen wahren Volltreffer gelandet. Vielleicht liegt es nur daran, dass man dort mehr Kreativität bei der Vergabe von Straßennamen zeigt, „An der Goldgrube" sucht man bei uns vergebens. Ganz so golden sind die Aussichten in der deutschen Automobilindustrie ja nicht mehr.  

Für innovative und absolut krisensichere – im wahrsten Sinne des Wortes - Arbeitsplätze wäre Umwelt- und Klimaschutz sicher perfekt geeignet.

Leider dominieren bei uns die Bereiche Digitalisierung und künstliche Intelligenz, die großzügig gefördert werden.

Hier müssen wir uns fragen, ob jedes 5G Innovationsprojekt wirklich nötig und moralisch zu vertreten ist, besonders wenn Rüstungskonzerne beteiligt sind. 

Und unser Schlachthof muss nicht durch niedrigste Gebühren und damit Fleischpreise glänzen, sondern durch Tierwohl und Vermeidung prekärer Arbeitsplätze!

Sollten nicht aber auch Arbeitsplätze in ganz anderen Bereichen gefördert werden? Kunst und Kultur oder der soziale Bereich sind weiterhin unterbesetzt.

Und auch im Handwerk wären mehr Arbeitsplätze, die für die energetische Gebäudesanierung dringend benötigt werden, notwendig und damit förderungswürdig.

Meine acht Minuten sind um und ich gebe zu, nicht zu wissen, was die Zukunft bringt. 

Wir dürfen zwar auf das Beste hoffen, sollten heute aber so realistisch sein uns für eine ungewisse Zukunft vorzubereiten. 

Die ÖDP Stadtratsgruppe wünscht allerseits eine ruhige, besinnliche Weihnachtszeit und alles Gute für das Jahr 2022. Bleiben Sie gesund

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