Zur Hauptnavigation springen Zum Hauptinhalt springen

Antrag / Anfrage / Rede

Haushaltsrede 2024

Haushaltsrede des ÖDP Stadtrates Raimund Köstler am 10. April 2025

Stadtrat Raimund Köstler

Liebe Ingolstädterinnen und Ingolstädter,
ich begrüße Sie recht herzlich.
Wenn ich nun hier mit meiner Rede beginne, werden wir schon viel über die globalen Krisen gehört haben.
-    3 Jahre Krieg in der Ukraine,
-    stockende Friedensbemühungen im Nahen Osten,
-    Trump, der einen Handelskrieg heraufbeschwört
-    und die Auswirkungen des Klimawandels werden auch nicht weniger.
Dagegen sind unsere Probleme in Ingolstadt doch harmlos: 
-    der rechte Extremismus ist noch in der Minderheit 
-    und wir sind „nur“ pleite. 
Krisen gab es schon immer, aber selten so heftige, wie diese. Deshalb war es nur eine Frage der Zeit, ab wann eine Schuldenaufnahme unvermeidlich ist.
Herr Fleckinger und sein Team haben sich zwar viel Mühe mit dem Haushaltsentwurf gegeben - vielen Dank dafür - wir hätten aber keinen Zahlenjongleur, sondern einen Zauberer gebraucht. 
Jetzt ist es also so weit. Das Geld reicht nicht mehr! 
Aus haushaltstechnischer Sicht ist es ganz einfach. Wir haben drei Optionen: Einnahmen generieren, Ausgaben senken, Schulden machen. Eine Kombination aus allen dreien hatten wir in der ersten Konsolidierungsrunde beschlossen und ist die Grundlage für den Haushalt 2025.
So weit, so gut und damit einen Haken dran.
Wir werden nun aber nicht einfach das Ende der Dauerkrise der deutschen Automobilindustrie abwarten können.
Die gestartete zweite Konsolidierungsrunde bedeutet real: 
-    weiterer Erhöhung von Gebühren und Steuern, 
-    Streichen von Investitionen, 
-    Abbau von Personal 
-    und Kürzungen von Zuschüssen. 
Auch werden wir den Handlungsspielraum für nachfolgende Generationen durch Zinsbelastungen deutlich einschränken.

Bei der Konsolidierung dürfen wir aber nicht die wesentlichen Ziele der Kommunalverwaltung vergessen: 
-    Wohl der Gemeinschaft
-    und Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger 
Sozial gerechte, gute und kostengünstige Lösungen sind deshalb ab sofort gefragt.
Ab sofort? Nein, eigentlich schon immer!
Wie jedes Jahr stellt sich deshalb für uns die Frage, was brauchen wir wirklich und wie definieren wir unseren Wohlstand. 
Leider heißt das Motto bei uns – aber ganz aktuell auch in Berlin wieder – „Wachstum first".

Einbindung in einem sozialen Umfeld wie Familie und Freunde, Sinnhaftigkeit und Selbstverwirklichung und dabei schonend mit der Natur umgehen. Das sind die Werte, die wichtiger als Wachstum sein müssen. 

Wachstum allein macht nicht widerstandsfähig gegen Krisen. Wir binden damit auch viel Personal und Geld um z. B. neue Kitas, Schulen und Straßen zu bauen

Wir müssen Alternativen zur Automobilindustrie und zum Wachstumszwang finden 
und uns klar werden, wie wir in Zukunft unsere Ausgaben priorisieren wollen.
Wichtig ist die Nutzung aller Fördermittel und eine intensivere Zusammenarbeit mit anderen Kommunen sowie Städten ähnlicher Größe. Man muss nicht alles selbst tun, wie zum Beispiel im Bereich der Verkehrsüberwachung. Wenn benachbarte Gemeinden wie Gaimersheim, Lenting und Kösching kommunale Verkehrsüberwachung über den Zweckverband Südostbayern abwickeln, könnte Ingolstadt dies auch in Betracht ziehen.
Manche Ausgaben können wir ohne größere Einschnitte kürzen. Andere bringen uns auf Dauer wiederum mehr Vorteile als Kosten, was eine Kürzung sinnlos macht. 
Handlungsmöglichkeiten sehen wir viele. Ein paar Beispiele:
Investitionen in erneuerbare Energien und energieeffiziente Gebäude senken langfristig Kosten und ermöglichen durch Fördermittel zusätzliche Einnahmen.
Aufgabenkritik und Digitalisierung von Verwaltungsprozessen sind überfällig. Die Abläufe müssen effizienter gestaltet werden, was Zeit und Ressourcen spart. 
Die Optimierung des öffentlichen Nahverkehrs kann Kosten sparen, muss gleichzeitig aber die Mobilität der Bürger erhalten.
Viel Luft ist hier aber nicht mehr: Laut Greenpeace hat Ingolstadt schon die schlechteste Güteklasse im ÖPNV der bayerischen Großstädte.
Eine echte Werbemaßnahme, vergleichbar mit dem 9-Euro-Ticket von 2022, ist längst überfällig. Das steigert die Fahrgastzahlen und die Rentabilität.

Bei der nachhaltigen Stadtentwicklung muss die Devise lauten: Wachstum nicht hinnehmen, sondern steuern. 
Unser Integriertes Städtebauliches Entwicklungskonzept (ISEK) ist mit wichtigen Investitionen in die Grün-Blaue Stadtlandschaft auf dem richtigen Weg. Eine konsequente Umsetzung der Stadt der kurzen Wege, besonders in den Ortsteilen, würde die Investitionen in die Infrastruktur reduzieren, da weniger Straßen und Parkplätze benötigt werden.
Die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger in Entscheidungsprozesse zusammen mit unseren BZAs führt dazu, dass Prioritäten besser gesetzt und Ressourcen gezielter eingesetzt werden. Eine vollständige Streichung der BZA-Budgets sehen wir hier als maximal kontraproduktiv. 
Investitionen in Schulen und Bildungseinrichtungen führen langfristig dazu, dass die Bevölkerung besser qualifiziert ist, was die Wirtschaft ankurbelt, und unsere Demokratie stärkt. 
Auch wenn sich die Schulqualität nicht auf dem Klo entscheidet, müssen unzumutbare Schultoiletten der Vergangenheit angehören. 
Unabhängig davon müssen aber alle unsere Bauvorhaben grundsätzlich kostengünstiger werden. Serielles Bauen kann hier eine erste Idee sein.
Eine umfassende Digitalisierung der Infrastruktur, besonders der Ampeln, wäre mir ein besonders wichtiges Anliegen. Endlich Ampeln, die verkehrsabhängig schalten und das ganz ohne teure Umprogrammierung. 
Sowas gibt es – aber nicht in unserer Autostadt.
Auch wir können uns sogar Programme zur Unterstützung lokaler Unternehmen und zur Ansiedlung neuer Firmen vorstellen. Das Ganze muss aber ohne weitere Flächenversiegelung ablaufen und sich dem Ziel der Klimaneutralität unterordnen.
Uns ist bewusst, dass zur Erreichung des Ziels der Klimaneutralität erhebliche Anstrengungen und Investitionen erforderlich sind, sehen aber auch Chancen für den Ingolstädter Wirtschaftsstandort und Arbeitsmarkt.
Die deutsche Automobilindustrie und die Zulieferer stecken in der Dauerkrise. Manche setzen deshalb jetzt auf Rüstungsaufträge. Nun ist die Idee eines Verteidigungscampus aufgetaucht und die historische Bedeutung Ingolstadts in der Rüstungstechnik wurde hervorgehoben. 
Wäre es dann ein Zukunfts- oder eher Horrorszenario, dass sich Rheinmetall in Ingolstädter Fertigungshallen einmietet?

Nicht unumstritten ist die Förderung von Arbeitsplätzen in einem ganz anderen Bereich: 
der Kunst- und Kreativwirtschaft.
Die Attraktivität und Vielfalt der kulturellen Landschaft sind wesentliche Faktoren für die Lebensqualität. Zudem stellt die Kulturwirtschaft einen bedeutenden Wirtschaftszweig dar und ist ein zentraler Impulsgeber für die städtische Entwicklung.
Kunst verbindet international und hilft Vorurteile abzubauen. 
Und Theater hat nicht nur einen gesellschaftlichen Mehrwert, sondern bringt insgesamt Umsatz und Kaufkraft in die Stadt – das hat eine jüngst von der LMU München gemeinsam mit dem Theater Regensburg durchgeführte Studie zur Umwegrentabilität ergeben. 
Kultur gehört aber nicht nur in die Innenstadt. Auch in den Stadtteilen darf es Angebote dazu geben.
Beispiel Festsaal: Warum nicht übergangsweise auch bestehende Hallen dort nutzen, wo das kulturelle Angebot nicht so ausgeprägt ist wie in der Innenstadt? 
Zum Beispiel die Sheddachhalle auf dem INquartier?
Zum Schluss noch die für mich ermutigende Feststellung, dass auch kleine Großstädte Kultur können:
Aachen mit nur knapp doppelt so viel Einwohnern wie Ingolstadt hat es bei den besten Städten Deutschlands für kreative Köpfe auf Platz 4 geschafft. 
Und Chemnitz ist Europäische Kulturhauptstadt 2025 und hat sogar noch ein paar weniger Einwohner als Aachen.
Eigentlich wollte ich meine Rede mit ein paar Zeilen von Joachim Ringelnatz beenden: 
So will man oft und kann doch nicht 
und leistet dann recht gern Verzicht.
Aber ich denke, in schwierigen Zeiten ist träumen dann doch besser: 
Ingolstadt als Kulturhauptstadt ist schon seit 2019 ein Traum von mir.

Zurück