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Pressemitteilung

Mahnwache und Gedenken an Fukushima: Rede des ÖDP-Stadtrates Franz Hofmaier

Der weit verbreitete Glaube an die Beherrschbarkeit einer Technik ist tief erschüttert, er ist zerstört.

Und das ausgerechnet in einem Land, das wie Deutschland 1945 am Boden lag und sich mit einem kometenhaften Aufstieg an die technologische Weltspitze gesetzt hat, in den 80er Jahren zum Maß aller Dinge in der industriellen Fertigung wurde.

Ein Land mit riesigem Selbstbewusstsein, mit schier grenzenlosem Vertrauen in seine Fähigkeiten, auch in die seiner Energieversorger – und in die Politik.

Dieses grenzenlose Vertrauen wurde von Energieversorgern grob missbraucht:

Wartungsberichte wurden bei Bedarf gefälscht, Abgeordnete und andere wichtige Personen und Organisationen mit Geldspenden zu wohlgesinnten Freunden gemacht, und es wurden Äußerungen von Sorgen über mögliche Gefahren aktiv unterdrückt.

Einen „Tag der Atomkraft“ am 26. Oktober hat man eingeführt, um die Segnungen dieser modernen Technik zu vermitteln.
Schon mit Schulbüchern wurde Heranwachsenden die großen Vorteile der Atomkraft nahegebracht.

Und so setzte Japan massiv auf Atomenergie, wurde nach den USA und Frankreich drittgrößter Atomenergie-Nutzer.

Warnschüsse für Japans Atomindustrie gab es dabei schon früher:

2007 bereits wurde ein Atomkraftwerk im Nordwesten durch ein Erdbeben beschädigt.
Ein Weckruf, der leider weltweit wie in Japan folgenlos verhallte.
Es hat schon damals nicht viel gefehlt, und wir würden heute nicht über Fukushima, sondern über Kashiwazaki-Kariwa reden.

14 weitere Reaktoren bis 2030 sollten gebaut werden – jetzt sind noch 2 von insgesamt 54 Anlagen in Betrieb.

Vor Fukushima entfiel knapp 30% des Stroms in Japan auf Atomkraft, 2030 sollten es 50% sein  -  jetzt sind es noch 3%

Doch nochmal zurück zu jenem 11. März 2011:

Im Wissen um Erdbebengefahren hat sich Japan wie kein anderes Land auf einen seismologischen Ernstfall vorbereitet. Häuser wurden erdbebensicher gebaut, Schutzvorrichtungen vor Tsunamis wie Wellenbrecher und Dämme wurden geschaffen, Warnsysteme zur raschen Information der Bevölkerung eingerichtet.

Doch dann kam es auf dem Meeresboden zu einem Beben, das in dieser Heftigkeit alle Vorstellungen übertraf, und das Wellen losschickte, die über 20 Meter hoch waren und für die auch der Damm von Fukushima mit seinen sechs Metern Höhe keine große Hürde darstellte:
Das Beben unterbrach die Stromleitungen,
die Notstromgeneratoren riss der Tsunami mit.

19.000 Menschen verloren durch diese Naturkatastrophen ihr Leben, 325.000 haben ihren Lebensraum verloren, oft ihre ganze Lebensgrundlage. 80.000 wurden schließlich aus der 20-km-Zone um Fukushima evakuiert, zumeist ohne reelle Aussicht auf eine Rückkehr.

Vom GAU betroffen aber sind die Menschen weit über die 20-km-Zone hinaus: 80% des freigesetzten radioaktiven Cäsium 137 verseuchte den Pazifischen Ozean, die restlichen 20% genügten, die Belastung in 4 der 47 japanischen Präfekturen in den Bereich um die recht hoch angesetzten Grenzwerte zu hieven, ab denen Landwirtschaft und Viehzucht verboten ist.

Heute werden selbst in 200 km Entfernung Autofilter gesammelt und ausgewertet: Man will ein Gefühl dafür entwickeln, was sich wohl auch so in menschlichen Lungen ansammelt.

Japans Energieversorgung heute:

Japan lebt wie Deutschland mit einer extrem hohen Importabhängigkeit bei Rohstoffen.
Die Folge nach Fukushima: Eine gestiegene Abhängigkeit vor allem von Öl, Kohle und zunehmend auch Gas. Höhere Ölpreise heute auch bei uns lassen sich in Teilen auch durch Fukushima mit erklären.

Japan ist mindestens genauso wie Deutschland gefordert, seine Energieversorgung auf neue, stabilere Beine zu stellen.

Doch wie sieht es heute aus rund um Fukushima –
 in deutsch der „Insel des Glücks“?


Im Vordergrund steht für die Menschen natürlich die eigene Gesundheit, Sorgen um mögliche Erkrankungen: Über die Ursachen von Leukämie-Erkrankungen Prominenter wird spekuliert, definitiv nachweisbar ist ein Zusammenhang von Erkrankung und Strahlung natürlich nicht.

Langzeituntersuchungen sollen die Schilddrüsen von zwei Millionen Menschen im Auge behalten, vor allem auch von mehreren Hunderttausend Kindern: Ein Ausbruch von Schilddrüsenkrebs ist in der Regel frühestens nach vier Jahren zu erwarten.

An einem Tag wird von Tepco berichtet, dass Cäsium stark rückläufig ist, am Folgetag erfährt man, dass die Belastung aber bisher deutlich höher gewesen sei als bislang bekannt.
Dies nur ein kleines Beispiel für stetig widersprüchliche Meldungen, die den Menschen jegliches Vertrauen in die Führung von Energieversorgern und Politik nehmen.

Doch es geht weiter:
Kinder dürfen nur noch zeitlich begrenzt auf die Straße, Geigerzähler gehören zum Alltag.
Wiesen und Wälder sind hoch verstrahlt, eine Dekontaminierung unmöglich.

Landwirte kämpfen mit Entsorgungsproblemen um riesige Mengen radioaktiven Reisstrohs.

Und:  Lebensmittel der Region sind selbst dann unverkäuflich, wenn sie geprüft und radiologisch als unbedenklich bezeichnet worden sind: Der wirtschaftliche Kollaps für viele ohnehin leidgeplagte Menschen.

Was helfen da zähe Gespräche mit Tepco um Entschädigungszahlungen?

Nichts mehr wird so sein, wie es war.

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