Zur Hauptnavigation springenZum Hauptinhalt springen

Antrag / Anfrage / Rede

Haushaltsrede 2003

Haushaltsrede des ÖDP Stadtrates Franz Hofmaier

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

verehrte Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates,

öffentliche Haushalte vor Beginn des Jahres 2004 – ein trauriger Anblick.

Diese Aussage trifft ganz allgemein zu, beginnend mit der EU, wo man sich einen Stabilitätspakt zu einem „Labilitätspakt“ zurechtgeschneidert hat. Eigentlich hätte der Devisenmarkt dafür den Euro abstrafen müssen. Dass er es nicht getan hat zeigt, dass es noch weitere, ernst zu nehmende weltwirtschaftliche Verwerfungen gibt.

Nicht besser als in der EU die Situation beim Bund mit einer Neuverschuldung von knapp 30 Mrd. Euro bei einem 257-Mrd.-Haushalt und bei den Ländern.

Kein Wunder, dass es den Kommunen da nicht besser ergeht. Und kein Wunder, dass nun nach Schuldigen gesucht wird. Die Oberbürgermeister von München, Nürnberg und Augsburg, mit erwarteten Defiziten von 800, 214 und 70 Millionen Euro, deuten auf den Freistaat, fühlen sich vor allem im Schulbereich von der Staatsregierung seit vielen Jahren im Stich gelassen.

Nur: Wenn es anderen Haushalten kaum besser ergeht als einem selbst, woher soll dann in einer Gemeindefinanzreform die große, erhoffte Entlastung kommen?

„Haushalt im Jahre 2004“ – das ist wie ein Patient beim Arzt, dem angesichts massiven Übergewichts ernsthaft drohende gesundheitliche Probleme prophezeit werden. Trotzdem tun wir uns verdammt schwer mit dieser Situation, diskutieren täglich über neue Kommissionsvorschläge, und erweisen uns doch letztlich bislang als ausgesprochen zögerlich bis reformunfähig.

Echte Reformen setzen voraus, dass sie klare Perspektiven schaffen für alle Bürger, Konsumenten, Unternehmen, für uns alle, und das auf Jahre hinaus. Und man darf dabei aus meiner Sicht nicht nur schlicht nach mehr Wachstum schielen: Es geht um ein qualitatives, nachhaltiges Wachstum, denn die soziale Marktwirtschaft hat nur Zukunft, wenn sie auch ökologisch denkt.

Damit zurück zu den Kommunen, damit zu uns nach Ingolstadt.

Überall da, wo man ohne große Schmerzen etwas einsparen oder eine Investition zeitlich strecken und vom Umfang her abspecken konnte, hat man dies im letzten Jahr – durchaus mit einigem Erfolg - getan. Wer allerdings heute den Haushalt oder die Mittelfristplanung mit den Zahlen des Vorjahres vergleicht, stellt fest, dass so manche Bemühung zwar schon sichtbar und erkennbar ist, der triste Gesamteindruck des Zahlenwerkes jedoch nicht deutlich aufgehellt werden konnte.

Dies zeigt sich im Haushalt der Stadt Ingolstadt für 2004 deutlich an einer Nettoneuverschuldung von 26,1 Mio. Euro. Einer Zahl, die man bei einer zu erwartenden spürbaren Besserung in den Folgejahren als „antizyklisches Finanzverhalten“ akzeptieren könnte. Nur: Der Finanzplan bis 2007, in dem auf der Einnahmeseite sicherlich auch einiges an vorsichtig-optimistischer Zuversicht enthalten ist, lässt eine so deutliche Besserung nicht erwarten, 83,4 Mio. Euro Minus stehen zu Buche. Die vom Kämmerer geäußerte Hoffnung auf einen ausgeglichenen Haushalt in den Jahren 2008 und 2009 erscheint mir aus heutiger Sicht unrealistisch.

Aus der Einnahmenplanung für den Vermögenshaushalt dieser Jahre ragt dagegen eine Position zunehmend deutlich heraus: Eine Bruttokreditaufnahme, die selbst nach Abzug von Tilgungsleistungen in den Jahren 2004 – 2007 volumenmäßig knapp die Hälfte des Vermögenshaushaltes umfasst.

Eine Folge dieses Haushalts und der Finanzplanung: Unsere Zinslast steigt kontinuierlich von 2,6% des Verwaltungshaushaltes in 2002 auf 4,0% in 2007 – weiterhin niedriges Zinsniveau vorausgesetzt. Dies klingt etwas drastischer, wenn man die Zinslast in Relation zu den Gewerbesteuer-Planwerten setzt: In 2007 werden wir jeden 6. Gewerbesteuer-Euro für Zinsen ausgeben.

Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen, einen Verschuldungsaufbau von 132 Mio Euro in 2002 auf 235 Mio Euro Ende 2007, das raubt uns jeglichen gestalterischen Spielraum für den Haushalt der Zukunft. Schulden sind die fehlenden Investitionen von morgen. Wo bleibt unsere Verantwortung gegenüber den Kolleginnen und Kollegen, die in der nächsten und übernächsten Amtsperiode auf unseren Stühlen sitzen?

Ganz allgemein gesagt: Kommunalhaushalte haben heutzutage sehr viel von einem Stück Würfelzucker: Sicher nicht ganz so süß, aber mindestens genauso raffiniert – vielfach entstanden unter Aufbietung aller Künste, um überhaupt einen genehmigungsfähigen Haushalt vorlegen zu können.

Ziel Genehmigungsfähigkeit: Mit dieser ersten Zielmarke bei der Erstellung des Haushaltes hatte Ingolstadt bislang keine Probleme, jetzt für 2004 wird es erstmals auch hier knapp, trotz immer noch deutlich überdurchschnittlich hoher Steuerkraft pro Kopf der Bevölkerung.

Allerdings reißen jetzt doch einige Positionen ganz ordentliche Löcher in die Planungen: Dass der VW-Konzern für 2003 keine Gewerbesteuer mehr bezahlt, hier also geleistete Vorauszahlungen zurückgeführt werden müssen und obendrein noch ein gewichtiges, unter Umständen trotz Sonderrückstellung nicht voll abgedecktes Risiko auf Gewerbesteuerrückzahlungen für Vorjahre besteht, das reißt Lücken. Selbst wenn der Finanzvorstand des VW-Konzerns für 2006 von einer hohen Konzern-Rendite ausgeht, so sollte man nicht voreilig auf eine baldige Rückkehr besserer Zeiten hoffen: Von den im DAX notierten deutschen Großunternehmen zahlt wohl mittlerweile keiner mehr – trotz großteils keineswegs schlechter Ertragslage – eine Gewerbesteuer.

Sorgen bereitet in meinen Augen auch die für die Aufgaben des Bezirks Oberbayern zu leistende Bezirksumlage. Einer aktuellen Äußerung des Bezirkskämmerers zufolge wird die Bezirksumlage nicht wie bei uns eingeplant um 1%, sondern um wenigstens 2% erhöht, was sich bei uns mit gut einer Million Euro niederschlägt.

Man spürt also, dass noch allerhand an Unsicherheiten unseren Haushalt bedrohen.

Ein kleines Ventil für zuviel Ungemach hat man immerhin gefunden, indem in den nächsten Jahren kein Deckungsausgleich bei der IFG vorgenommen werden soll.

Vor all diesen Rahmenbedingungen steht nun unsere Entscheidung zum Haushalt und zur Finanzplanung an.

Dabei ist zunächst der Kämmerei Dank und Anerkennung auszusprechen für vielfältige Bemühungen, knappere Mittel möglichst sinnvoll zum Einsatz zu bringen. Unser Oberbürgermeister hat den letztjährigen Haushalt einen Haushalt der Konsolidierung genannt, der von vielen kleine Opfer verlange.

Diese „kleinen Opfer“ können in manchem Fall schon ganz schön gewichtig sein: Ich nenne als ein Beispiel, bei dem aus meiner Sicht mit der Einsparung überzogen wurde, dass der ÖPNV künftig morgens keine Pendler mehr zu Nord- und Hauptbahnhof bringen wird. Und das, während eine Etage höher auf Landesebene über einen Transrapid zum Flughafen nachgedacht wird.

Falls wir – und nicht nur wir in Ingolstadt – im kommenden Jahr wieder in die Verlegenheit kommen sollten, weitere ÖPNV-Kürzungsrunden ins Auge fassen zu müssen, wer soll dann eines Tages noch vom Münchener Hauptbahnhof aus den Transrapid zum Flughafen nehmen? Die Sinnhaftigkeit eines solchen Hochgeschwindigkeitszuges auf dieser Kurzstrecke wollen wir bei der Frage mal ganz außer acht lassen.

Kurzum: Hier greifen die Rädchen nicht mehr sinnvoll ineinander.

Einen Investitionsschwerpunkt setzt der Haushalt in diesem Jahr in Sanierungen und Erweiterungen von Schulen – zweifellos berechtigt, nachdem gerade in diesem Bereich im letzten Jahr in der Finanzplanung am meisten nach hinten geschoben und einiges gestrichen wurde.

Und doch müssen wir uns in Anbetracht leerer Kassen mehr denn je dessen bewusst sein, dass im Zweifelsfall eine gute Betreuung und Förderung von Kindern und Jugendlichen wichtiger ist als ein neues Bauwerk. Gerade in Konsequenz der „Pisa“-Studie liegen hier die echten Investitionen, von denen unsere Kinder und die ganze Gesellschaft Nutzen haben werden, und nicht unbedingt in Hoch- oder Tiefbauten, die selbst schon mehrfach saniert sein werden, bis unsere Nachfolger – hoffentlich - die Schulden abgezahlt haben.

Damit plädiere ich ausdrücklich für eine wirkungsvolle Jugend- und Sozialarbeit und dafür, gerade in diesem Bereich „freiwillige Leistungen“ nicht nur als Kostenfaktor zu sehen. In Zeiten knapper Mittel, wirtschaftlicher Unsicherheiten und zunehmender Probleme gerade Jugendlicher, den Weg in ein sinnerfülltes Berufs- und gesellschaftliches Leben zu finden, liegt es nahe, das Schwergewicht von den rein materiellen zu den mitmenschlichen Investitionen zu verlagern.

Die Kommunen, Kolleginnen und Kollegen, brauchen ein Mindestmaß an Planungssicherheit und brauchen dazu halbwegs stabile und berechenbare Einnahmen. Die Gewerbesteuer als mit Abstand größte steuerliche Einnahmequelle für den Verwaltungshaushalt – Anteil in der Regel bei oder auch deutlich über 50% - wird dieser Anforderung nicht gerecht. Oder immer weniger gerecht, seit sich die Großfirmen mit trickreicher Bilanzierung diese Ausgaben sparen können.

Der Ruf nach einer Verankerung des Konnexitätsprinzips im Grundgesetz wird immer lauter – sie ist auch von Bürgermeister Wittmann als eine von mehreren Voraussetzungen aufgeführt, unter denen die vorgelegte Finanzplanung Realität werden könne.

Dies zeigt unser heutiges Dilemma auf: Eine ganze Reihe von Rahmenbedingungen muß erfüllt werden – selbst solche, die wir hier im Saale kaum beeinflussen können. Weiter so? Es bleibt der Eindruck, man habe die Kommunen amputiert, mache uns zu Marionetten übergeordneter politischer Ebenen.

Kurzum: In mir regt sich so viel an Unbehagen, dass ich sowohl den Haushalt als auch die Finanzplanung ablehnen werde.

Damit bedanke ich mich für ihre Aufmerksamkeit und wünsche schon mal heute, auch wenn wir uns evtl. noch einmal zu einer Sondersitzung sehen werden, allerseits eine ruhigere, besinnlichere Weihnachtszeit und ein gutes Neues Jahr.

Zurück