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Antrag / Anfrage / Rede

Haushaltsrede 2020

Haushaltsrede des ÖDP Stadtrates Raimund Köstler am 14. Dezember 2020

Sehr geehrte Ingolstädter Bürgerinnen und Bürger,

mit meiner Haushaltsrede möchte ich mich auch dieses Jahr wieder direkt an Sie wenden – nicht nur an die Anwesenden hier im Festsaal, sondern auch an Sie am Livestream, 

welchen wir ja seit dem Politikwechsel im Mai endlich wiederhaben.

Wir werden das Jahr 2020 nicht feiern!

Selbst wenn man den Politikwechsel als Erfolg sieht - Corona hat das Jahr komplett versaut!

Und die Lasten sind recht ungleich verteilt: von überschaubaren persönlichen Auswirkungen bis hin zu vielfach berechtigten Ängsten um die nackte Existenz.

Derzeit trifft Deutschland die zweite Welle – leider in mancherlei Hinsicht recht unvorbereitet, obwohl sie absehbar war.

Kultur- und Kreativwirtschaft, die Gastronomie und der Einzelhandel werden wieder voll erwischt. Aber auch Vereine und gemeinnützige Organisationen. 

Wir tragen hier sämtliche sinnvolle Unterstützungsmaßnahmen der Stadt sehr gerne mit.

Aber sollte der kommende harte Lockdown und die Impfungen (hoffentlich funktioniert unser Impfzentrum auch!), nicht zum erhofften Erfolg führen, wäre unsere heutige Haushaltsdebatte reif für die Tonne.

Die mit dem Politikwechsel erhoffte ökologische Politik hat noch nicht den Stellenwert erreicht, den sie aus unserer Sicht haben muss. Was nutzen alle Bekenntnisse zu einer ökologischen Politik, wenn bei der wichtigsten Abstimmung des Jahres die geballte Faust in der Tasche bleibt. Von was ich spreche ist klar: die Mittelschule Nord-Ost im 2. Grünring, womit dem Ausverkauf des 2. Grünrings Tür und Tor geöffnet werden.

Der zweite Grünring ist nur finanziell gesehen die billigste Option neues Bauland zu schaffen.

Eigentlich sollte 2020 ja das Jahr der Landesgartenschau werden. Meine Dauerkarte liegt daheim und ich freue mich wieder einmal auf April – diesmal auf April 2021. 

Mit der Landesgartenschau konnten wir als ÖDP der zunehmenden Flächenversiegelung durch das GVZ im Nordwesten nachhaltig Einhalt gebieten und den 2. Grünring wenigstens an dieser Stelle dauerhaft schützen.

5G und Digitalisierung können scheinbar gar nicht schnell genug gehen.

Hier sind wir 5G-Testfeld, auch wenn autonome Fahrzeug kein 5G benötigen, belastbare Forschungsergebnisse zu den gesundheitlichen Folgen der neuen Frequenzen immer noch fehlen und die Bürgerinformation von Seiten der IFG mehr als unglücklich war.

Wir werden die Entwicklung weiterhin kritisch beobachten.

Corona darf nicht Ausrede sein für eine Politik von vorgestern.

Der Neustart nach der Corona Krise ist eine nie dagewesene Chance, die Wirtschaft zu transformieren! 

Nachhaltigkeit, Widerstandsfähigkeit und Gemeinwohl Ökonomie müssen die Ziele einer Neuausrichtung sein. Aber auch die demokratische Postwachstumsgesellschaft, also ein gesellschaftlicher Wandel hin zu globaler sozialer Gerechtigkeit innerhalb der ökologischen Grenzen der Erde darf in den Diskussionen nicht als Utopie gesehen werden.

Die in diesem Jahr gestartete Nachhaltigkeitsagenda zeigt erste Ergebnisse. Eine lange Liste an Nachhaltigkeitszielen und das weitere Vorgehen stehen noch auf der heutigen Tagesordnung. Allerdings ist uns noch nicht klar, wie wir nun zu einer Vision 2050 und strategischen Zielen kommen.

Was wollen wir mit unserer Stadt erreichen? Welche Größe soll unsere Stadt haben und was sind unsere strategischen Ziele in Anbetracht der begrenzten Fläche? Wie sieht eine nachhaltige Entwicklung der Stadt aus?

Die Forstwirtschaft erkannte schon vor 300 Jahren, dass beim Umgang mit Rohstoffen eine gute und vorausschauende Planung wichtig ist.

Und wir hatten gehofft, dass die Begriffe Nachhaltigkeit und Gemeinwohl dieses Jahr endlich Einzug in unsere tägliche politische Arbeit erhalten. Hiervon hat uns Corona leider abgelenkt. Unsere Entscheidungsvorlagen und die Berichte der Tochtergesellschaften hinken unseren Vorstellungen hinterher. Andernorts ist man da schneller mit dem Wechsel zur Gemeinwohlökonomie.

Zurzeit wird uns der Begriff der Nachhaltigkeit immer als Gleichklang aus Ökologie, Ökonomie und Sozialem verkauft. Man spricht hier vom Drei-Säulen-Modell der nachhaltigen Entwicklung. 

Aus unserer Sicht darf man die drei Säulen aber nicht als einander gleichrangig betrachten. Es ist kein dreispaltiger Wunschzettel, in das jeder seine Anliegen eintragen darf.

Stattdessen muss das Ziel der ökologischen Nachhaltigkeit Vorrang genießen. Der Schutz der natürlichen Lebensbedingungen ist die Grundvoraussetzung für ökonomische und soziale Stabilität. Im Umweltschutz besteht klar der größte Nachholbedarf.

Umweltschutz wäre in Ingolstadt eigentlich ja ganz einfach. Wir gründen endlich einen Landschaftspflegeverband, wir erneuern unseren Flächennutzungsplan und schützen dauerhaft unsere beiden Grünringe.

Damit ermöglichen wir auch zukünftig regionale Landwirtschaft, die am besten noch für ökologische Produktion belohnt wird. Wir weisen keine neuen Gewerbegebiete aus und reduzieren den Flächenverbrauch.

Dagegen steht der unnatürliche Wachstumszwang, mit einem „immer mehr“. Wir haben so lange ein Problem, solange uns Wachstum und steigende Bevölkerungszahlen wichtig sind.

Sich nachhaltig um das Thema Arbeit zu kümmern, bedeutet Alternativen zur Automobilindustrie zu finden. Wie wär’s mit Ingolstadt als Modellregion für besonders gute Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte, Erzieherinnen und Erzieher!

Erste Schritte sind mit der Einrichtung eines Pflegestützpunktes gemacht und der Lohnangleichung der Mitarbeiter der Servicegesellschaft im Klinikum. Dass wir dies hinbekommen haben, hat uns stolz gemacht ein Teil des Stadtrates zu sein.

Aber dass als Argument gegen die Lohnangleichung angeführt wurde, dass das ja sonst Schule machen könnte, ist unsozial.

Wenn ich mir etwas für das nächste Jahr wünschen darf, dann hätte ich gerne Entscheidungsvorlagen, die mir ohne Zeitdruck ein gutes Gefühl bei meinen Entscheidungen geben. Mit z.B. Alternativen, einem Plan B und einer Risikodarstellung bei Ablehnung.

Und auch beim Thema Transparenz fehlen uns noch drei Punkte: Archiv für den Livestream,  eine Liste der Treffen mit Interessensvertreter*innen und die Compliance Richtlinie natürlich.

Als Stadtrat schenken wir unseren Finanzen schon seit dem Sommer höchste Aufmerksamkeit, aber die Nachhaltigkeit unserer Investitionen muss noch deutlicher in den Vordergrund gerückt werden.

Die geplanten Baumaßnahmen erreichen in den nächsten Jahren ein nie dagewesenes Hoch. Dies kann so nur für gut geheißen werden, wenn die Einnahmesituation sich wieder drastisch verbessert. Die vorliegenden Schätzungen sprechen aber eine andere Sprache. Ist es sinnvoll, die Rücklagen bis Ende 2022 vollständig aufzubrauchen? Unsere Vorratsliste ist dafür erschreckend lang.

Deshalb ist es zu begrüßen, dass Oberbürgermeister Christian Scharpf angekündigt hat, ein Konsolidierungsprogramm Anfang kommenden Jahres aufzulegen. Später darf es aber auch wirklich nicht sein, da wir die Ergebnisse eigentlich schon heute gebraucht hätten.

Wichtig dabei ist, keine neue Fronten im Stadtrat aufzubauen – wir müssen aufeinander zugehen, gerade in schwierigen Zeiten wie diesen.

Im Verwaltungshaushalt ist es schade, dass wir immer noch für den Freistaat Lehrstühle finanzieren. Schade auch, dass wir uns im Sommer nicht auf ein Zeichen unseres Sparwillens verständigen konnten und unsere Aufwandsvergütungen kritisch hinterfragt haben. 

Bei den Investitionen können wir gerne auf den weiteren Ausbau der Ostumgehung Etting verzichten.

Wer kürzlich den Film Ökozid gesehen hat, wird sich fragen, wieviel Verantwortung hat die Politik, auch die Ingolstädter Kommunalpolitik, bei der Bekämpfung des Klimawandels. Der Film zeigte deutlich, dass wir unser Handeln nicht im Jetzt bewerten müssen, sondern im Rückblick aus der Zukunft. 

Wir müssen uns bei jeder unserer Entscheidungen heute fragen, ob wir in 6 oder 12 Jahren wieder zur Wahl antreten können oder uns besser vor Gericht verantworten sollten?

Alternativlosigkeit ist dann eine schlechte Ausrede.

Alternativlos ist in Ingolstadt nur der Schutz der Lebensgrundlage unserer Kinder.

Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger, auch ich möchte Ihnen für das Interesse an meiner Rede recht herzlich danken. Ihnen hier im Saal und Ihnen am Livestream.

Die ÖDP Stadtratsgruppe wünscht allerseits eine ruhige, besinnliche Weihnachtszeit und alles Gute für das Jahr 2021. Bleiben Sie gesund.

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